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Berner Regierung will keine «Charta der Religionen»

Die Charta könne zu Isolation und Polarisierung führen, findet der Berner Regierungsrat. Vor vier Jahren hat es noch anders getönt.

Die Idee einer «Charta der Religionen» wurde 2018 per Postulat eingereicht. Sie sollte nicht anerkannte Religionsgemeinschaften dazu verpflichten, die Integration ihrer Gläubigen zu fördern, den interreligiösen Dialog zu pflegen und sich strikt an die geltende Rechtsordnung zu halten. Der Vorstoss des Bieler SP-Kantonspolitikers Mohamed Hamdaoui wurde im Grossen Rat mit 74 Ja- zu 55 Nein-Stimmen an die Berner Regierung überwiesen. Diese hatte davor die Annahme empfohlen und sich bereit gezeigt, das Postulat zu prüfen. Vier Jahre später hat der Regierungsrat nun seine Meinung revidiert. In einer Mitteilung schreibt er, dass er in der Charta keinen Nutzen sehe.

Unter Generalverdacht

Wieso die Berner Regierung auf einmal dagegen ist, wird in einem Prüfungsbericht klar. Darin heisst es, dass Gemeinschaften, die die Charta nicht unterzeichnen, unter Verdacht geraten könnten, sich nicht an die geltende Rechtsordnung zu halten. Das sei problematisch. Denn für einen Verzicht auf die Unterzeichnung könne es ganz legitime Gründe geben. Die Regierung befürchtet, dass eine Unterteilung in problematische und unproblematische Gemeinschaften zu einer Polarisierung und zur weiteren Isolation gewisser Gemeinschaften führen könne. Kritisiert wurde auch, dass sich die Richtlinien der Charta vor allem an potenziellen Gefahren orientieren, wie etwa dem Entstehen von Parallelgesellschaften, ausländischer Finanzierung und Hasspredigern. Dies drücke eine generalisierte Verdachtshaltung aus, die nicht zielführend sei.

Lieber direkt austauschen

Im Austausch mit Vertretern von Religionsgemeinschaften wurde laut Bericht deutlich, dass diese sich derzeit keine Charta im Sinne des Postulates wünschten. Eine fortschrittliche Religionspolitik müsse partizipativ und bedürfnisorientiert ausgerichtet sein, schreibt der Regierungsrat. Statt auf eine Charta setzt er auf den direkten Austausch. Deshalb soll bis 2023 geprüft werden, in welcher Form die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und den Gemeinschaften verbessert werden könne.

Quelle: www.ref.ch, 01.09.2022