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Berner Spitälern drohen die Blutkonserven auszugehen

Zum Aderlass treten weniger Freiwillige an, die Spenden sind um ein Drittel eingebrochen. Ein Engpass zeichnet sich ab. Die Spitäler drosseln bereits ihren Bedarf.

Zu Hause bleiben! Diese Aufforderung nehmen auch die Blutspenderinnen und Blutspender ernst. Die Interregionale Blutspende des Schweizerischen Roten Kreuzes, die in den Kantonen Bern, Waadt und Wallis sieben Zentren betreibt, bekommt den Corona-Effekt deutlich zu spüren. Die Insel-Gruppe und andere Spitäler, welche die Non-Profit-Organisation beliefert, benötigen 340 Spenden pro Tag. Unter normalen Umständen rechnet der Blutspendedienst in seinem Einzugsgebiet mit 1700 Spenden pro Woche, um diesen Bedarf sicherzustellen. Momentan wird allerdings nur noch 1200-mal gespendet – Tendenz sinkend. Setze sich diese Entwicklung weiter fort, könne es in zwei bis drei Wochen einen Engpass geben. Die Spitäler hätten den Bedarf bereits gedrosselt. «Alles, was an Operationen nicht dringend nötig ist, wird zurückgestellt», sagt Adrian Fluri, Leiter Marketing und Kommunikation beim Blutspendedienst. Allerdings werden lediglich 10 bis 20 Prozent des in Spitälern benötigten Blutes für geplante Operationen gebraucht. «Das meiste benötigen Krebspatienten und Unfallopfer.» Es sind einerseits die Umstände, die momentan gegen eine Blutspende sprechen. Zu einer Grossaktion in der ETH Lausanne am Dienstag und Mittwoch kamen deutlich weniger Studentinnen und Studenten. «Weil die Uni geschlossen hatte, sind viele von ihnen bereits abgereist», erklärt Adrian Fluri. Statt an zwei Tagen über 520 Personen haben lediglich 200 Blut abgegeben. Auch einige Firmen haben mobile Aktionen abgesagt – weil ihr Personal gar nicht mehr vor Ort ist, sondern im Homeoffice arbeitet.

Schweizweit sind es aktuell 30 Prozent weniger Entnahmen, stellt Fluri fest. «Wir beobachten die Situation im Tessin mit bis zu 50 Prozent weniger Spenden mit Sorge. Oder wir schauen nach Italien. Ein Ausgangsverbot könnte uns im schlimmsten Fall auch erwarten.» Denn zweitens ist es natürlich die Corona-Ansteckungsgefahr, die Menschen vom Blutspenden abhält. Und das, obschon das Virus bekanntermassen nicht über Blut übertragen werde, sagt Fluri. «Das normale Grippevirus übrigens auch nicht.»

Abstand unter den Spendern

Nach dem Entscheid zum Lockdown musste die Interregionale Blutspende SRK erst auf die Bestätigung warten, dass ihre Tätigkeit nicht betroffen ist. Vom Veranstaltungsverbot ausgenommen wurde das Blutspenden, weil es zentral für die Versorgung des Gesundheitssystems ist. Fluri atmet hörbar aus. «Aber für uns sind die zusätzlichen Auflagen zur Herausforderung geworden.» Mehr Aufwand bei mobilen Aktionen, mehr Personal für eine Vortriage.

Vor den Zentren Bern, Burgdorf, Langenthal, Biel, Thun sowie Lausanne-Epalinges und Sitten werden Spendewillige abgefangen: In die Gebäude kommt nur, wer keine Grippesymptome aufweist. Drinnen gelten die üblichen Abstands- und Desinfektionsregeln. «Wir stellen sicher, dass die Abstände zwischen den Spendern voneinander eingehalten werden», sagt Fluri. Während der Blutentnahme, ja, da könne das Personal den Abstand nicht gewährleisten.

Eine Grossoffensive

Den schlimmstmöglichen Fall mag Fluri nicht an die Wand malen: eine Rationierung. Aktuell investiert der Dienst alle Kraft in eine kantonsweite Aktion. Am Freitag öffnen alle Blutspendezentren ausserordentlich, und auch Donnerstag wurden die Öffnungszeiten überall ausgedehnt. Dass mit dieser Massnahme ein Massenauflauf provoziert wird, ist in Zeiten von Covid-19 und Onlinereservation ohnehin sehr unwahrscheinlich.

Die Halbwertszeit von Blut

Das Blut, das in einem der Zentren oder während einer Aktion des regionalen Blutspendediensts entnommen wird, wird quasi sortiert. Die verschiedenen Blutprodukte sind unterschiedlich lange haltbar. Die Blutflüssigkeit, genannt Plasma, hält tiefgefroren zwei Jahre. Die roten Blutkörperchen, sogenannte Erythrozyten, sind 42 Tage lang brauchbar. Lediglich 7 Tage lassen sich die Blutplättchen, die Thrombozyten, lagern. Hauptsächlich sind die festen Bestandteile des Blutes bei den Spitälern gefragt: Im vergangenen Jahr waren es 91’432 Einheiten Blutkörperchenkonzentrat, 10’389 an Blutplättchenkonzentrat und 7541 Einheiten Plasma zur Transfusion.

Quelle: www.thunertagblatt.ch, 19.03.2020, Chantal Desbiolles