headerbild
Logo RefBeJuSo

Berner Unternehmen sollen bei den Kirchensteuern freie Wahl haben

Im Kanton Bern sollen Unternehmen künftig selber entscheiden können, welcher religiösen oder sozialen Organisation sie ihre Kirchensteuern zukommen lassen. Dies fordert die EVP in einem parlamentarischen Vorstoss. Profitieren von dem neuen Modell könnten nicht zuletzt die Freikirchen.

Debatten über die Kirchensteuern für Unternehmen werden im Berner Kantons­parlament zum Dauerbrenner. Erst vor wenigen Wochen wies der Grosse Rat einen Vorstoss der GLP zurück, wonach die obligatorische Kirchensteuer für juristische Personen abgeschafft werden sollte. Nun zieht die EVP nach. In einem Vorstoss vom 2.?September fordert die Partei, dass Unternehmen künftig selber entscheiden können, welcher religiösen oder sozialen Organisation sie ihren Steuerbeitrag zukommen lassen. Vorbild dabei ist das sogenannte italienische Modell. In Italien können Unternehmen selber bestimmen, ob ihre Steuergelder dem Staat, einer religiösen Gemeinschaft oder einer gemeinnützigen NGO zugute kommen. Bedingung ist, dass das Geld ausschliesslich für soziale oder humanitäre Zwecke eingesetzt wird. Davon profitieren zum Beispiel die Waldenserkirche, die Methodistische Kirche oder Freikirchen wie die Siebenten-Tags-Adventisten.

Kritik an Sonderstatus der Landeskirchen

Eingereicht wurde der Vorstoss unter anderem von Barbara Streit-Stettler. Die EVP-Grossrätin stösst sich daran, dass Unternehmen ihre Steuern an die drei Landeskirchen sowie an die jüdische Gemeinde bezahlen müssen, ohne mitzuentscheiden, wohin ihr Geld genau fliesst. «Ich sehe nicht ein, warum ausschliesslich Landeskirchen in den Genuss von Steuergeldern kommen, während Freikirchen und andere Religionsgemeinschaften keine Beiträge für ihre sozialen Projekte bekommen», sagt sie. Streit-Stettler ist Mitglied der Reformierten Landeskirchen Bern-Jura-Solothurn und bei der charismatischen Bewegung Vineyard engagiert. Dass Landeskirchen gegenüber Freikirchen steuertechnisch bevorzugt werden, hält sie für nicht mehr zeitgemäss. «In der Gesellschaft schwindet das Verständnis für den Sonderstatus der Landeskirchen. Dem sollten wir auch mit einem angemessenen Steuermodell Rechnung tragen», sagt sie.

Berner Kirchen pochen auf Unabhängigkeit

Die Idee, das italienische Modell in Bern einzuführen, ist nicht neu. Bereits vor vier Jahren wurde ein entsprechender Vorstoss der FDP vom Grossen Rat abgewiesen. Für Streit-Stettler ist das Vorhaben dennoch nicht chancenlos: «Mit dem neuen Berner Kirchengesetz sind erste Schritte hin zu einer Entflechtung von Kirche und Staat gemacht worden. Und diese Entwicklung wird weitergehen.» Bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn befürchtet man, dass durch das italienische Modell «das landeskirchliche Wirken in finanzielle Abhängigkeit geraten könnte», wie sie auf Anfrage schriftlich mitteilen. Die Steuerpflicht sichere den Landeskirchen die Unabhängigkeit, um als kritisches Gegenüber von Gesellschaft und Staat aufzutreten. Zudem lasse sie sich aufgrund der kontinuierlichen Leistungen für die Öffentlichkeit rechtfertigen. Der Vorstoss wird frühestens im März 2020 im Berner Kantons­parlament beraten.

Dieser Beitrag erschien erstmals in bref, dem Magazin der Reformierten.

Quelle: www.ref.ch, 4. Oktober 2019, Heimito Nollé