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Grindelwald: Der Pfarrer, der den Tourismus vorantrieb

Als in Grindelwald Ende des 19. Jahrhunderts der Fremdenverkehr boomte, prägte Gottfried Strasser wie kein anderer das Gletscherdorf. Der Pfarrer und Dichter spielt bis heute in Grindelwald eine wichtige Rolle – egal ob mit seinem Grindelwalderlied oder im Freilichttheater «Alpenglühen».

Wer sich für die Geschichte Grindelwalds interessiert, kommt an einer Person nicht vorbei: Gottfried Strasser. Mit 25 Jahren trat der im Emmental aufgewachsene Theologe 1879 seine Pfarrstelle im Gletscherdorf an und prägte die Gemeinde wie kaum ein anderer. «Viele der heutigen sozialen, gemeinnützigen, kulturellen und auch wirtschaftlichen Einrichtungen hier im Tal gehen auf Pfarrer Strasser zurück», sagt Marco Bomio, Bergführer und Leiter des Grindelwalder Heimatmuseums. «Die Vielfalt seines Engagements ist unglaublich.»

Viele Vereinsgründungen

In Strassers Zeiten begann der Tourismus in Grindelwald zu blühen. Er brachte einen gewissen Wohlstand ins Tal und vertrieb nach und nach die Armut. Neue Hotels wurden gebaut, die bei den Touristen ­einen besseren Ruf genossen als die vormaligen Gasthäuser mit Fremdenzimmern. Bis dahin zogen es Reisende oft vor, im Pfarrhaus zu übernachten. Die Einheimischen hatten ihre Furcht vor den Bergen verloren und gemerkt, dass sich in der Höhe und den Gletschern ein unschätzbares Kapital verbarg. Immer mehr bergbegeisterte Engländer kamen hierher, wo der Gletscher noch bis in den Talkessel vorstiess. In jener Zeit des touristischen Aufschwungs und des Bergbahnbooms war Strasser nicht nur Pfarrer, Seelsorger, und Feldprediger, er war auch Vater von acht Kindern. Er war es, der in Grindelwald ein Bettelverbot auf den Strassen einführte. Das mag etwas harsch klingen. Doch er verlor dabei die Armen nicht aus dem Blick und forderte jene, die durch das Verbot in Geldnot gerieten dazu auf, sich bei ihm zu melden. Er sorgte dafür, dass sie auf eine «bessere» Art und Weise zu Geld kamen. Pfarrer Strasser engagierte sich nicht nur für die einfachen Menschen, er wollte für alle etwas tun. So war er auch an vielen Vereinsgründungen mitbeteiligt: Armen- und Krankenwesen, Samariterverein, Feuerwehr, Wasserversorgung, Gesangsverein und Alpenklub. Der Pfarrerssohn war selbst ein begeisterter Tourengänger und gründete 1898 den Bergführerverein mit, mit dem er die Bergführer für den anständigen Umgang mit Gästen sensibilisieren wollte.

Gründer Sekundarschule

Das sei ihm auch gelungen, sagt der Leiter des Heimatmuseums: «Gottfried Strasser war seiner Zeit voraus.» Der Pfarrer förderte als einer der Ersten die Bahnbauten und  verfasste einen Reiseführer für die Region. Strasser sei sich der Bedeutung des Tourismus schon früh bewusst gewesen, sagt Bomio. Als sein Anliegen, bereits in der fünften Klasse Englisch zu unterrichten, abgelehnt wurde, organisierte er den Sprachunterricht privat. Er wusste, wie wichtig Bildung ist, amtete bis zu seinem Tod 1912 als Schulpräsident und war einer der Mitbegründer der Sekundarschule. «Der Pfarrer verschaffte sich mit all seinen Taten grossen Respekt bei den Einheimischen», sagt Marco Bomio. Es sei keine leichte Aufgabe, dem Wirken dieses Mannes gerecht zu werden. Klar aber ist, dass Pfarrer Strasser bis heute in Grindelwald präsent ist.

So gedenkt auch das Heimatmu­seum mit einer virtuellen Führung der Grindelwalder Persönlichkeit: Ein Film mit Strasser führt durch die mit antiken Requisiten gefüllten Räumlichkeiten des typischen Grindelwalder Chalets. Dieses befindet sich direkt neben der reformierten Kirche, wo eine Gedenktafel neben dem Haupteingang und ein Grab mit mächtigem Steinkreuz an den Tausendsassa erinnern.«Strasser war neben seinem sozialen Engagement auch ein geschätzter Seelsorger und ihm fiel das Dichten leicht», sagt Bomio. Zwei seiner bekanntesten Lieder sind dr Trueberbueb und das Grindelwal­derlied. Letzteres gilt im Dorf als Kirchenlied Nummer null. In jedem Kirchengesangsbuch in der Kirche klebt auf dem Innendeckel ein Ausdruck mit dem Liedtext des literarischen Juwels. Vom 9. August bis am 7. September ist die Theaterproduktion «Alpenglühen» in Grindelwald zu sehen. Unter der Leitung von Jürg Markus Fankhauser erzählen Schauspielerinnen und Schauspieler in fünf Bilder die Geschichte des Tourismus und des Alpinismus im und um das Gletscherdorf. Eines der Bilder handelt von Pfarrer Gottfried Strasser, der den Tourismus im Tal wesentlich vorantrieb. Gespielt wird unter freiem Himmel auf der Pfrundmatte unterhalb der reformierten Kirche am Ende des Dorfes – mit freiem Blick auf Gletscherschlucht, Fiescherhörner und Mittellegigrat.

www.jungfrautheater.ch

Quelle: reformiert.info, 22. Juli 2019, Nicola Mohler