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Konzernverantwortungsinitiative: Der Kirche steht ein heisser Herbst bevor

Der Abstimmungskampf um die Konzernverantwortungsinitiative, die von kirchlichen Hilfswerken massgeblich geprägt wurde, stellt die innere Dialogfähigkeit der Kirche auf die Probe.

Einen Vorgeschmack auf die Debatte zur Konzernverantwortungsinitiative gab die Synode der Zürcher Landeskirche: Mit der Bergpredigt und dem Aufruf, den Davids im globalen Süden «im Kampf gegen die Schweizer Goliaths wenigstens eine Steinschleuder in die Hand» zu geben, warb der Pfarrer Matthias Dübendorfer für das Anliegen. Der Theologe ist mit seinem Votum in guter Gesellschaft. Kirchgemeinden sowie Pfarrerinnen und Pfarrer haben sich der Plattform «Kirche für Konzernverantwortung» angeschlossen. Das evangelische Hilfswerk Brot für alle (Bfa) hat die Initiative stark mitgeprägt.

Von den Bischöfen bis zu den Freikirchen

Das Ja-Bündnis sprengt auch die konfessionellen Grenzen: Neben der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) unterstützen die Schweizer Bischofskonferenz, die Schweizerische Evangelische Allianz und der Verband Freikirchen Schweiz die Initiative, über die am 29. November abgestimmt wird. Sie verlangt, dass Schweizer Firmen für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen im Ausland haftbar gemacht werden können. Das Engagement von Bfa verteidigt EKS-Vizepräsident Daniel Reuter. Das Hilfswerk sei «prophetisch vorangegangen». Der EKS-Rat habe zunächst abgewartet und auf einen «griffigen Gegenvorschlag» gehofft. Eigentlich müsse die Kirche bei der Entscheidungsfindung helfen, statt sich auf Parolen festzulegen.

Orange Fahnen am Pfarrhaus

Für Reuter hat die Politik nicht erkannt, wie sehr die Forderungen der Initiative «die Volksseele bewegen». Daher sei es gut, dass nun abgestimmt werde und die Kirche sich positioniere. «Als Christen müssen wir zwar nicht die Welt retten, aber wir dürfen die Menschen nicht aufs Jenseits vertrösten, sondern sollten schon versuchen, die Welt ein bisschen gerechter zu gestalten.» Wenn sich Pfarrpersonen politisch exponieren, ist das für Reuter kein Problem, «sofern sie die ganze Gemeinde im Blick behalten». Die orange Initiativfahne am Pfarrhaus sei wohl zulässig, da die Kirche «nicht strenger sein sollte als andere Vermieter». Doch das Kirchgemeindehaus soll unbeflaggt bleiben und der Kirchturm «mit seiner Symbolkraft» sowieso: «Es braucht neutrales Terrain für die Debatte, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt.» Der Zürcher Kirchenrat, dem Reuter auch angehört, will die Richtlinien, die den Rahmen für das politische Engagement der Gemeinden abstecken, überarbeiten.

Giftige oder faire Debatte?

Ob der von Reuter geforderte Dialog «in Respekt und Anstand» gelingt, muss sich weisen. Erfahrungen eines prominenten Kritikers der Initiative deuten in eine andere Richtung. «Noch nie bin ich so sehr angefeindet worden wie in dieser Frage», sagt Theologe und Ethiker Markus Huppenbauer. Dass jemand als Christ gegen die Initiative sein könne, scheine undenkbar. Auch er wolle Menschenrechtsverletzungen bekämpfen, so Huppenbauer. «Ich halte aber Haftungsklagen für das falsche Instrument, um Konzerne zum Umdenken zu bewegen.» Der Aargauer Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg hingegen bezeichnet die innerkirchlichen Debatte als «ausgewogen und fair». Die Synode hatte im Aargau verhindert, dass der Kirchenrat dem Beispiel der Kirche Bern-Jura-Solothurn folgt und sich der Plattform für die Initiative anschliesst. Auch der Zürcher Kirchenrat verzichtet, freilich aus freien Stücken.

Quelle: reformiert.info, 29. Juli 2020, Sandra Hohendahl-Tesch, Felix Reich