headerbild
Logo RefBeJuSo

Protestanten müssen ihre Kontaktdaten angeben, Katholiken nicht

Wieder scheitert der Bund beim Versuch, wegen Corona im grossen Stil Personendaten sammeln zu lassen: Katholiken müssen für den Besuch der Messe keine Kontaktdaten hinterlassen.

Ab Donnerstag, 28. Mai, sind Gottesdienste in der Schweiz wieder zugelassen – elf Tage früher als zunächst geplant und rechtzeitig vor Pfingsten. Für die vorzeitige Öffnung hat der Bundesrat eine Reihe von Bedingungen zur Corona-Prävention aufgestellt: Die Bundesbehörden verlangen nebst dem Abstandhalten auch, dass die Gläubigen aufs Singen und auf Körperkontakt verzichten. Zudem wollte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Kirchen verpflichten, Präsenzlisten zu führen. «Die Kontaktdaten der Teilnehmenden zur Nachverfolgung von Infektionsketten sind zu erfassen und während 14 Tagen aufzubewahren», heisst es im Schutzkonzept vom 18. Mai. Gestützt auf das BAG-Papier haben eine ganze Reihe von Gemeinschaften, von der muslimischen Föderation über die jüdische Gemeinde bis zur evangelisch-reformierten Kirche, entschieden, ihre Gottesdienstbesucher vorderhand zu registrieren. Nun zeigt sich aber, dass das gar nicht nötig ist.

Probleme auch bei Restaurants

Die römisch-katholische Kirche wird in den meisten Fällen auf Teilnehmerlisten verzichten. «Wir müssen die Kontaktdaten der Gottesdienstbesucher nur dann erheben, wenn wir den Mindestabstand von zwei Metern nicht garantieren können», sagt Encarnación Berger-Lobato, Kommunikationsleiterin der Bischofskonferenz. «Unser Schutzkonzept geht davon aus, dass die Kirchen nur zu einem Drittel gefüllt sind und der Abstand mit Markierungen immer eingehalten werden kann. Wir werden darum in den allermeisten Fällen keine Kontaktdaten sammeln müssen.» Bei der Bischofskonferenz ist man darüber erfreut. «Es kann heikel sein, sich als Besucher eines Gottesdienstes in eine Liste eintragen zu müssen. Besonders bei Menschen, welche in der Schweiz Zuflucht gefunden haben, kann eine solche Pflicht abschreckend wirken», sagt Berger-Lobato.

Daten zur Religion sind besonders sensibel

Bereits zum zweiten Mal scheint der Bund damit bei der Sammlung von Personendaten zurückzurudern. Auch für Restaurantbesucher war eine Registrierungspflicht geplant, bis der eidgenössische Datenschützer sein Veto einlegte. Danach wurde die Einschreibung für die Gäste als freiwillig erklärt – wobei Erfahrungsberichte zeigen, dass nur die wenigsten ihre Angaben hinterlassen. Die Präzisierung für den Besuch von Gottesdiensten geht aus dem Text der Covid-Verordnung hervor, welche der Bundesrat am Mittwoch verabschiedet hat. Dort heisst es, Kontaktdaten seien nur nötig, wenn «keine genügende Gewähr» besteht, dass die Distanzregeln eingehalten werden können. Das hat bei den Kirchen Fragen aufgeworfen. Die Bischofskonferenz etwa vergewisserte sich beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, dass ihre Interpretation der Verordnung korrekt sei. Silvia Böhlen, Sprecherin des Datenschützers, bestätigt die Einschränkung. Sie gibt zu bedenken, dass die Daten zur religiösen Gesinnung zu den besonders schützenswerten gehören. Das heisst, dass bei ihrer Bearbeitung höhere Anforderungen gelten als bei anderen Daten: «Sie müssen zum Beispiel besonders sicher aufbewahrt werden und dürfen nur einem kleinen Personenkreis zugänglich sein», sagt Böhlen. Offen herumliegende Teilnehmerlisten von Gottesdiensten etwa sind nicht zulässig. Anders als bei Restaurants ist die Registrierung obligatorisch bei jenen Gottesdiensten, bei denen die Abstände unterschritten werden: «Bei Restaurants gab es dafür keine gesetzliche Grundlage, bei den Gottesdiensten hingegen wurde diese mit Artikel 6 der Covid-Verordnung nun geschaffen», sagt Böhlen. Freiwillig aber sei die Angabe von Kontaktdaten in Gottesdiensten, bei denen die Abstandsregeln eingehalten werden – weil die Verordnung für solche Fälle kein Sammeln von Personendaten vorsehe.

Reformierte wollen registrieren

Ganz anders beurteilt die Evangelisch-Reformierte Kirche Schweiz die Situation. Ihr Entwurf für ein Schutzkonzept wurde vom BAG zu weiten Teilen in das behördliche Papier übernommen. «Wir empfinden es als Zeichen der Wertschätzung, dass wir wieder Gottesdienste abhalten dürfen, während andere Veranstaltungen noch nicht stattfinden können», sagt Pfarrer Simon Hofstetter, Beauftragter für Recht und Gesellschaft. «Dieser Wertschätzung würden wir widersprechen, wenn wir jedes rechtliche Schlupfloch ausnutzen würden, um uns möglichst viel Bewegungsspielraum zu verschaffen.» Die Verordnungen des Bundes seien unter Hochdruck entstanden und «entsprechend nicht ganz frei von Unschärfen». Da müsse man über allfällige Fehler grossmütig hinwegschauen und sich an der Stossrichtung der behördlichen Entscheidungen orientieren. «Enge Räume, bei denen man eine Kreuzung nicht vermeiden kann, gibt es in Kirchen jeder Konfession», sagt Hofstetter. In evangelisch-reformierten Kirchen ist darum die systematische Erfassung der Teilnehmer vorgesehen. «Es gibt negative Beispiele, etwa von Freikirchentreffen im Elsass, an denen Infizierte teilnahmen und deren andere Besucher nicht ausfindig gemacht werden konnten», sagt Hofstetter. Auch auf das Abendmahl verzichten die Reformierten im Unterschied zu den Katholiken. Das BAG verlangt, es dürfe kein «Essen und Trinken» abgegeben werden in der Kirche. Das Abendmahl, wie es in reformierten Gemeinden genannt wird, erwähnt es dabei explizit. Die Bischofskonferenz hält aber daran fest, dass die Eucharistie, wie es bei den Katholiken heisst, erlaubt ist, inklusive Verteilung der Hostie. «Die Kommunion ist trotz Corona möglich. Dabei kann auch der Abstand von zwei Metern gewahrt bleiben», sagt Berger-Lobato. Ob das BAG diese Interpretation akzeptiert, liess es auf Anfrage offen.

Maskenpflicht in den Moscheen

Strenge Regeln haben sich die jüdischen Gemeinschaften auferlegt: Der Besuch von Gottesdiensten ist nur mit vorheriger Anmeldung möglich, die Kontaktdaten werden erfasst – obwohl das Schutzkonzept stets zwei Meter Abstand vorsieht. Der Konzeptentwurf der muslimischen Gemeinschaften sieht sogar eine Maskentragpflicht in den Moscheen vor. Die Sanitäranlagen werden geschlossen, die rituelle Waschung von Kopf, Händen und Füssen sollen Muslime zu Hause verrichten, auch muss jeder Gläubige seinen eigenen Gebetsteppich mitbringen.

Quelle: Berner Zeitung, 23.05.2020, Fabian Fellmann