headerbild
Logo RefBeJuSo

Spiezer Reformierte distanzieren sich von Jesus.ch

In der Printausgabe einer freikirchlich geprägten Publikation wird auch die reformierte Kirchgemeinde Spiez aufgeführt – allerdings ohne deren Wissen. Die Verantwortlichen wehren sich dagegen.

«Jesus – Influencer Nr. 1: Keiner hat die Welt beeinflusst wie er.» Wer in Spiez oder im Saanenland in diesen Tagen den Briefkasten geleert hat, dürfte auf ein Druckprodukt mit ebendieser Titelstory gestossen sein. Es handelt sich um die regionalisierte Jubiläumsausgabe von «Jesus.ch-Print», die in einer Auflage von 6500 an die Spiezer Haushalte verteilt wurde. Die Version für das Saanenland ist mit 3000 Exemplaren erschienen. Bereits im Oktober waren 30'000 Thuner Ausgaben verteilt worden. Weitere Regionalausgaben gab es in Uri, Aarau, Bern und Baden-Wettingen. Herausgeber ist der Verein Livenet mit Sitz in Bern, der laut eigener Homepage seit dem Jahr 2000 mehrere Websites wie Livenet.ch, Jesus.ch und Lebenshilfe-net.ch betreibt. Livenet bekennt sich nach eigenen Angaben «zur Glaubensbasis der Europäischen Evangelischen Allianz, eines Zusammenschlusses verschiedener Landes- und Freikirchen».

Glaubensbekenntnisse

So weit zum Hintergrund. Der Inhalt bietet neben diversen Geschichten zur Person Jesu Christi Glaubensbekenntnisse verschiedenster Personen und Persönlichkeiten: «Jesus fasziniert», «Die Zukunft unserer Erde ... und was sagt Jesus dazu?», «Menschen erleben Jesus», «Mit Jesus im Rotlichtmilieu». Das setzt sich auch auf den regionalisierten Seiten fort: bei einem Interview mit der Spiezer Gemeindepräsidentin Jolanda Brunner («Die Nähe zu Jesus gibt mir Halt»), dem SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal aus Gstaad («Der Glaube an Jesus Christus begleitet mich jeden Tag») oder dem Thuner Stadtpräsidenten Raphael Lanz («Die modernen Staaten sind geprägt von christlichen Werten»). Abgeschlossen wird die Publikation mit den «wichtigsten Anlaufstellen» für Menschen, die «in ihrer Jesus-Nachfolge weitere Schritte machen wollen». Für Spiez sind das demnach die freikirchlichen Institutionen Christliches Lebenszentrum und Evangelisches Gemeinschaftswerk sowie die reformierte Kirchgemeinde (Zitat: «Als Reformierte in Spiez leben wir unser Leben und unsere Werte in einer grossen Vielfalt»). Und hier liegt das Problem, denn dort wusste man anscheinend nichts davon, wie aus einer nun veröffentlichten Pressemitteilung hervorgeht: «Die Reformierte Kirchgemeinde Spiez wurde nicht angefragt betreffend Beteiligung in irgendeiner Art an der in alle Haushaltungen verteilten Zeitung von ‹Jesus.ch-Print›.»

Ein falscher Eindruck

«Durch die Nennung hat man den Eindruck, dass die Zeitschrift auch von uns getragen und mitfinanziert wird, und das ist eben nicht der Fall», stellt Pfarrerin Susanna Schneider Rittiner aus Einigen klar. In der Mitteilung erläutern die Verantwortlichen der Reformierten Kirchgemeinde auch, warum sie auch inhaltlich nicht mit dem freikirchlich geprägten Druckprodukt übereinstimmen: «Auch wenn viel Wertvolles aufgezeigt wird: Die Art von Glauben, die hier einzig propagiert wird, lässt zu wenig Raum für die verschiedenen gleichwertigen Wege, wie Frömmigkeit und Nachfolge gelebt werden kann.» Dies widerspreche dem Auftrag der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. «Die Reformierte Kirche Spiez distanziert sich deshalb von dieser Publikation. Dies auch in Solidarität und aus der ökumenischen Partnerschaft mit der katholischen Kirchgemeinde, die nicht genannt ist und die die Nachfolge Christi in Spiez ebenfalls lebt.» Susanna Schneider Rittiner verweist diesbezüglich auf die gute Zusammenarbeit mit der katholischen Kirchgemeinde, eine Zusammenarbeit, die hingegen mit den Freikirchen im Ort schwierig sei – auch auf inhaltlicher Ebene: «Im Heft wird ein scheinbar auf Fakten beruhendes Gottesbild vermittelt. Darum ist es das wahre und einzig richtige Gottesbild, so wird unterschwellig propagiert; und von namhaften Persönlichkeiten werde es unterstützt, so werden die Lesenden glauben gemacht. Für mich ist diese Art und Weise von Mission manipulativ. Es führt zu einer Glaubenshaltung, die aus reformatorischer Sicht zu wenig Selbstreflexion und kaum Persönlichkeitsentwicklung zulässt», sagt sie.

Entschuldigung für Fehler

Warum aber wurden die Verantwortlichen der reformierten Kirchgemeinde in Spiez nicht vorab über die Publikation informiert, wie es beispielsweise im Saanenland der Fall war, wie Pfarrer Bruno Wolfgang Bader bestätigt? Auch hier wurde der Verweis um ein Zitat von der Homepage der Kirchgemeinde ergänzt. «Wir haben daher gefunden, dass das für uns so in Ordnung ist», sagt Bader. Wollte man die Spiezer Reformierten also etwa vereinnahmen? Dazu Florian Wüthrich, Redaktionsleiter von Livenet: «Mit den Adressen am Ende der Zeitung geht es uns darum, den lokalen Kirchen einen guten Dienst zu erweisen, damit Menschen vor Ort sehen, wo sie mehr über die biblische Botschaft erfahren können. Daher war für uns auch klar, dass wir ebenfalls gerne auf die Kirchgemeinde Spiez hinweisen möchten.» Normalerweise sei ein paar Wochen vor dem Druck das Gut zum Druck an die aufgeführten Adressen gegangen. «Dies war aber in den meisten Regionen nur eine Formsache, da die Landeskirchen dankbar waren, dass sie erwähnt wurden», so Wüthrich. «Dass die Kirchgemeinde Spiez nun offensichtlich nicht informiert wurde, ist ein Versäumnis, für das wir uns auch bei den Verantwortlichen der Kirchgemeinde herzlich entschuldigen möchten. Da unterlief uns ein Fehler im Produktionsprozess der Zeitung.» Die Zeitung decke bewusst eine gewisse Breite ab, was die Kirchen betrifft. So werde beispielsweise auch der höchste Reformierte der Schweiz, Gottfried Locher, interviewt. «Die bisherigen Rückmeldungen, die wir auch von reformierten Kirchen erhalten haben, waren grundsätzlich positiv», erklärt der Redaktionsleiter und betont: «Es war keineswegs unsere Absicht, die Reformierte Kirche Spiez in irgendeiner Art zu vereinnahmen.»

Quelle: Berner Zeitung,  12. Dezember 2019, Claudius Jezella