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Thun-Stadt: Schenk uns Frieden - Abschlusskonzert der Bachwochen

Rund 80 Singende und Musizierende konzertierten als krönenden Abschluss der Bachwochen am Sonntag, 11. September, die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach vor ausverkaufter Stadtkirche.

Keine Maus mehr hätte am Sonntagnachmittag in die Thuner Stadtkirche gepasst. Der Schweizer Jugendchor und die Freitagsakademie unter der Leitung von Nicolas Fink, sowie Julia Kirchner (Sopran), Jan Börner (Altus), Raphael Höhn (Tenor) und Benôit Capt (Bass), konzertierten eine der bedeutendsten geistlichen Kompositionen und Bachs letztes Vokalwerk. Das Kyrie und das Gloria komponierte er bereits 1733 nach dem Tode des Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen, die er seinem Nachfolger Friedrich August II. widmete. Später baute er das Werk zur Missa tota aus. Intendant Vital Julian Frey, Geschäftsführerin Séverine Payet und weitere Bachwochen-Helfende aus dem Team hatten alle Hände voll zu tun, jedem der rund 450 Konzertgäste ihren Platz anzuweisen. Bei seiner Begrüssungsrede sagte der Intendant: «Acht wunderbare Konzerte liegen hinter uns, und wir können eine Auslastung von 93 Prozent vermelden.» Dies sei eine grosse Motivation, mit aller Energie und Kreativität weiterzumachen.

Die guten Willens sind

Mit einem packenden und kraftvollen «Kyrie eleison» (Herr, erbarme dich) hoben 50 Kehlen des Schweizer Jugendchors zur h-Moll-Messe an. Schon bald sang der Chor die vielsagende Zeile: «Et in terra pax hominibus bonae voluntatis – Und auf Erden Friede den Menschen, die guten Willens sind!» Wohl niemand in der Stadtkirche dachte bei diesen starken Worten nicht an den in Europa herrschenden Krieg. Vielfach war zu beobachten, wie konzentriert und fast meditativ das Publikum die zweistündige Messe verfolgte. Geschlossene Augen, gefaltete Hände und geschlossene Augen, Finger, die auf einer imaginären Tastatur spielen oder wippende Fussspitzen waren zu beobachten. Ein älterer Herr las sogar in der mitgebrachten Partitur jede Note mit. Im zweiten Teil, dem Symbolum Necenum, wiegte der Chor sein Publikum in eine leise Traurigkeit angesichts der Kreuzigung Jesu, doch gleich darauf wurde aus voller Kehle die Auferstehung gefeiert. Der Schweizer Jugendchor und die Musizierenden der Freitagsakademie sangen und spielten ineinander verschmolzen wie aus einem Guss Bachs lobpreisendes Werk.

Soloparts als Musikinseln

Getoppt wurde die Aufführung von der Solistin und den Solisten: Julia Kirchen mit sattem Sopran, Jan Börner mit hinreissendem Countertenor, Raphael Höhn mit einfühlsamem Tenor und Benôit Capt durch seinen betörenden Bass. Im Zusammenspiel mit den Musikerinnen und Musikern der Freitagsakademie wurden Solo-Passagen wie Duette zu eigenen Musikinseln inmitten der gewaltigen Chorleistung. Beim vierten und letzten Teil der h-Moll-Messe hätte man gut alle Fenster aufreissen mögen, um sie für jeden hörbar zu machen, denn es erschallte «Lamm Gottes, das du trägst die Sünden der Welt, erbarme dich unser» gefolgt von «Dona nobis Pacem» – Schenk uns Frieden! Die besten Konzerte sind die, bei denen nach dem Schlussakkord nicht sofort der Applaus einsetzt, weil das Publikum noch in einer Trance des Gehörten gefangen ist. So auch bei der h-Moll-Messe der Bachwochen, nach der für eine Minute Stille herrschte, die jäh durch begeisterten Applaus und stehende Ovationen durchbrochen wurde.

Quelle: www.thunertagblatt.ch, 12.09.2022, Christina Burghagen