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Steffisburg: Hubertusmessen geraten vermehrt ins Fadenkreuz

Die Diana Jagdhornisten Burgdorf rechnen an der Hubertusmesse in Steffisburg mit Widerstand von Jagdgegnern. Doch nun kommt alles anders.

Nadine Buri-Frank ist aufgewühlt, wenn sie am Telefon über die anstehenden Hubertusmessen in Steffisburg und im solothurnischen Bellach spricht. Sie ist Jägerin, Jagdhundezüchterin und Obfrau bei den Diana Jagdhornisten Burgdorf. Seit vielen Jahren ist sie leidenschaftliche Jagdhornbläserin. Am Hubertustag gedenken Jägerinnen und Jäger im deutschsprachigen Raum ihres Schutzpatrons Hubertus in Form eines Gottesdienstes. Laut der Legende erkannte Hubertus im siebten Jahrhundert Christus, als ihm ein Hirsch mit einem Kreuz im Geweih erschien. Dies führte zu seiner Bekehrung. Hubertusmessen finden konfessionsübergreifend und nicht überall gleichzeitig statt.
 
Verschiedene Lesarten

Je nach Einstellung gegenüber der Jagd, wird die Legende des heiligen Hubertus anders gelesen. Für Jagdbefürworter ist Hubertus bis heute ein Schutzpatron, für die Kontrahenten war er schon immer der erste Jagdgegner. Und ebendiese Jagdgegner, speziell jene von der Gruppe Hunt Watch, bereiten Nadine Buri-Frank Kopfschmerzen. «Wir wurden von einer Jagdhornbläsergruppe aus Allschwil informiert, dass sie sich wieder präsentieren werden», sagt Buri. Hunt Watch protestiert seit ungefähr zwei Jahren gegen Hubertusmessen und macht besonders in den sozialen Medien Stimmung gegen die Jagd. Die Mitglieder von Hunt Watch geben sich bei den Aktionen schwarz gekleidet, mit einzelnen Buchstaben auf den Kleidern werden die Wörter «Töten stoppen» gebildet.

«Sind für die Musik da»

Nadine Buri-Frank hat bereits Erfahrung mit Jagdgegnern. In Burgdorf sei es schon zu einer ähnlichen Aktion gekommen. Ob es sich um die gleiche Gruppe gehandelt habe, wisse sie nicht. Passiert sei damals nichts, die Gruppe sei nur dagestanden. Trotzdem fühle man sich angeklagt, obwohl man nichts falsch gemacht habe. «Wir bereiten uns über Wochen vor – und dann werden wir vor allem im Internet als gewalttätige, senile und aggressive Hobbyjäger betitelt, die Wildtiere durch den Wald hetzen und verletzt liegen lassen. Das stimmt nicht», sagt Buri-Frank. Solche Falschinformationen machen sie wütend, traurig und sprachlos. Ein konstruktiver Dialog mit den Jagdgegnern sei bisher noch nicht gelungen. Sie betont, dass sie Verständnis dafür habe, dass es Jagdgegner gebe. «Als Jägerin ist mir durchaus bewusst, dass nicht alle Leute positiv gegenüber der Jagd eingestellt sind.» Jagdhornbläser seien in erster Linie in Gottesdiensten einfach nur Musiker, die den Zuhörerinnen und Zuhörern ein Klangerlebnis in der Kirche böten und die Messe musikalisch umrahmten. «Musik verbindet bekanntlich.»

Deeskalation in Steffisburg

Noch von der letzten Begegnung geprägt, hat sich Nadine Buri-Frank entschieden, frühzeitig zu handeln. Sie hat den Dachverband Jagdhornbläser Schweiz informiert, dass Hubertusmessen gestört würden. Der Verband hat zusammen mit Jagd Schweiz ein Communiqué aufgesetzt mit dem Titel «Störungen bei Hubertusmessen» und an die verschiedenen Jagdhornbläsergruppen der Schweiz verschickt. Darin sind unter anderem Verhaltenstipps aufgelistet. Die Kirchen aktiv zu informieren und sich nicht provozieren zu lassen, sind nur zwei Punkte. «Für uns ist klar: Wir lassen uns nicht niedermachen und fordern die Jägerschaft dazu auf, am Sonntag in Steffisburg Flagge zu zeigen», sagt Buri-Frank. Als Jagdhornistin oder Jagdhornist betreibe man besonders an der Hubertusmesse Öffentlichkeitsarbeit. «Wir sind quasi das Sprachrohr der Jagd, das Kommunikationsmittel zwischen Jägerschaft und Bevölkerung», erklärt Buri-Frank. Nun zeichnet sich in Steffisburg eine Entspannung ab. Olivier Bieli von Hunt Watch erklärt, dass die Protestaktion am Sonntag in Steffisburg höchstwahrscheinlich abgesagt werde. Man habe aktiv den Dialog mit der reformierten Kirche gesucht, Beweggründe geschildert und auch Kritik geübt. «Die Kirche schlug uns ein Podiumsgespräch vor, an dem alle Seiten angehört werden», sagt Bieli. Ob und in welcher Form dieser Dialog stattfinde, sei noch offen.

Noch nie auf Aktion verzichtet

Aber warum der plötzliche Kurswechsel? «Wir packen diese Gelegenheit beim Schopf», sagt Bieli. Es sei eine gute Möglichkeit für Hunt Watch, die Anliegen der Gruppe in einem Gespräch darzulegen und zu erklären. Es müsse sich etwas ändern und ein Gespräch sei aus Bielis Sicht eine nachhaltigere Lösung, als zu protestieren. Tatsächlich habe Hunt Watch an Hubertusmessen noch nie eine Aktion abgesagt. Ob das dann auch wirklich durchgezogen wird, zeigt sich am Sonntag. Bieli betont, dass Hunt Watch keine extreme Gruppe sei. Man sei lediglich dafür da, die Jagd zu beobachten – auf friedliche Art und Weise. Dennoch ist die Linie von Hunt Watch klar: «Die Jagd gehört auf lange Sicht abgeschafft», sagt Bieli. Seitens der Jägerinnen und Jäger kämen ab und an Vorwürfe, dass man einer Konfrontation aus dem Weg gehe und Gespräche ablehnen würde. Diese Vorwürfe weist der Basler zurück. «Wir sind immer bereit, zu reden.» Hin und wieder nehme er aber auch Feindseligkeiten aus der Jägerschaft war. «Wir müssen uns oft Sprüche oder gar Beleidigungen anhören.»

«Wollen keine Angriffsfläche bieten»

Ein Facebook-Post der Gruppe Hunt Watch bezog sich auch auf die reformierte Kirche in Steffisburg, wo der Gottesdienst stattfindet. Sie prangerte die Kirche an, der Jagd zu «huldigen». Wörtlich hiess es «Töten mit kirchlichem Segen». Als Pfarrerin Annemarie Beer vom Post Wind bekam, war sie irritiert. «Ich finde diese Wortwahl sehr befremdlich», sagt sie. Es ginge im Gottesdienst am Sonntag nicht um die Jagd per se. Die Jagdhornbläserinnen und Jagdhornbläser seien nur zur musikalischen Umrahmung da. Beer stört es, dass solche Posts im Internet abgesetzt werden, ohne dass man vorher mit ihr in Kontakt trete. Dennoch werde die Legende des heiligen Hubertus gelesen. Gerade weil sie ein Paradebeispiel sei, wie unterschiedlich solche Geschichten aufgefasst werden könnten. Als Reaktion werde nun auf ein Hirschgeweih in der Kirche verzichtet. «Wir wollen keine Angriffsfläche bieten», sagt Beer. Eine Kirchgemeinderätin hat sich bei der Kantonspolizei erkundigt, welche Massnahmen ergriffen werden müssen. Diese habe ihr gesagt, man solle sich mental auf ein mögliches Erscheinen der Jagdgegner einstellen. Gleichzeitig aber auch, dass Hunt Watch noch nie gewalttätig aufgefallen sei. Zum Dialog sagt sie: «Es besteht durchaus die Möglichkeit, einmal eine Podiumsdiskussion zwischen Jägern und Jagdgegnern zu veranstalten.» Dies hat sie Hunt Watch angeboten. Für sie ist aber klar, wer den ersten Schritt machen sollte. Und das ist Hunt Watch.

Quelle: Thuner Tagblatt, 26.10.2024, Cyrill Pürro