headerbild
Logo RefBeJuSo

Konzert in der Kirche Amsoldingen: Wenn sich Bach in den Orient verliebt

Zarte bis mitreissende orientalische Klänge ertönten am Sonntag, 1. September, beim Konzert «Duduk meets Bach» im Rahmen der Bachwochen Thun.

Knisternde Spannung war am Sonntag in der Kirche Amsoldingen vor dem Konzert «Duduk meets Bach» zu spüren. Aufgrund der grossen Nachfrage gab es an diesem Tag im Rahmen der Bachwochen Thun gleich zwei Konzerte des armenischen «Arsen Petrosyan Quartets» mit ihren hierzulande wenig bekannten Instrumenten: Arsen Petrosyan (Duduk), Astghik Snetsunts (Qanun), Vladimir Papikyan (Santur) und Avetis Keoseyan (Dhol und Dap). Cembalist und Tastenkünstler Vital Julian Frey unterstützte bei manchen Stücken mit bodengebenden Klängen das Quartett an der Orgel.

Magische armenische Klänge

Viele Augenpaare blickten fasziniert auf Avetis Keoseyan, der die Trommelfelle von Dhol und Dap vorsichtig am Scheinwerfer aufwärmte, diese jahrhundertealten Röhren- und die Rahmentrommeln. Die Geste liess schon erahnen, wie ungemein sorgsam und ehrfürchtig die armenischen Musizierenden mit ihrem Medium umgehen. Im Titel des Konzerts stand das Duduk im Fokus, ein Holzblasinstrument aus Aprikosenholz mit grossem Doppelrohrblatt, das als armenisches Nationalinstrument gilt. Der Virtuose Petrosyan blies das Instrument mit imposant geblähten Wangen und wahrem Können. Der warme Ton des Instruments rieselt ohne Umwege in den Bauch, um von dort durch den Körper zu fliessen und eine eigentümliche Ruhe zu verschenken – das Publikum tauchte andächtig in diese Klangwelt ein.

Beeindruckend auch die anderen Instrumente: Das Qanun, eine grosse Kastenzither, balancierte die Musikerin Snetsunts auf den Oberschenkeln und entlockte ihrem Instrument auf magische Weise brillante Tonfolgen. Mit unglaublicher Zartheit spielte Papikyan mit filigranen Schlägeln die Santur. Diese Urform von Zither und Hackbrett wird vor allem in der irakischen Klassik gespielt. Perkussionist Keoseyan sorgte mit Händen und Fingern auf Dhol und Dap für mitreissenden und feinsten Rhythmus.

Neue Schönheit für Bachs Musik

«Ter Voghormea – Vergib mir, Gott». Flehend und demütig erklang zu Anfang diese Weise aus dem 18. Jahrhundert. Unterstützt von der Orgel, folgten die bekannten Melodien von «Nun komm der Heiden Heiland» und «Nun danket alle Gott» von Johann Sebastian Bach in den ungewöhnlichen Klangfarben. Zum Höhepunkt des Konzerts machte Astghik Snetsunts Bachs «Toccata und Fuge, d-minor» auf ihrer Qanun. Das populäre Orgelwerk, das mit dem prägnanten «Dideldi» beginnt, mächtig braust und fast schimpfend wirkt, verwandelte sich in einen zärtlichen Hörgenuss, der die Schönheit der Musik erstaunlich zum Ausdruck brachte.

Beim Schwerttanz zucken die Beine

Die traditionelle armenische Volksmusik wie die Kirchenmusik basieren nicht auf dem europäischen tonalen System, sondern auf einer Struktur aus Tetrachorden. Die letzte Note eines Tetrachords dient auch als erste Note des nächsten Tetrachords, sodass viele armenische Volkslieder auf einer endlosen Tonleiter basieren. Dementsprechend klangen die gespielten Stücke für Schweizer Ohren zwar fremd, aber aussergewöhnlich anziehend und schmeichelnd. Beim «Srapar», dem Schwerttanz, zuckte es so manchem Konzertgast in den Beinen oder weckte bei ihm die Fantasie, im Regen zu tanzen und sich im Kreis zu drehen. Eine Dame bemerkte nach dem Konzert, sie hätte sich gefragt, warum die Musikerinnen und Musiker nicht mit Namen vorgestellt worden waren. Auch eine Moderation, um mehr über die Musik zu erfahren, hätte sie sich gewünscht. Und sinnierte doch: «Dieses Konzert hat sich echt gelohnt.»

Quelle: Thuner Tagblatt, 03.09.2024, Christina Burghagen