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Meiringen: Marias geheimnisvolle Reise - Vom Feuer gerettet, im Ahorn verehrt

Eine Statue aus Meiringen entkommt den Flammen und steckt fest in einem Baum. Ist diese Begebenheit mehr als nur eine Legende?

«Die zum Vernichten verurteilten Bilder der Kirche lagen bereits draussen auf einem brennenden Scheiterhaufen. Plötzlich packte ein Jüngling all seinen Mut zusammen und riss eine Madonna aus dem vernichtenden Feuer.» Diese Rettung sei anscheinend einem jungen Hirten mit Namen Zumbühl aus Nidwalden gelungen, sagt der pensionierte Meiringer Lehrer Hans Teuscher und fügt an: «Der Bildersturm in der Reformation hatte 1528 auch vor dem Gotteshaus in Meiringen nicht haltgemacht.» Dass diese Marienstatue tatsächlich aus Meiringen stammte, sei hingegen nirgends niedergeschrieben, weiss das Vorstandsmitglied des Museums der Landschaft Hasli. «Ebenso wenig ihre ganze Geschichte, die wurde lange nur mündlich überliefert.»

In Ahornbaum gelegt

Der Meiringer erklärt, dass die Statue auch aus einer Kapelle im Haslital stammen könnte, jedoch stand bis 1722 nur in Meiringen eine Kirche. Was die Legende der Statue angeht, erzählt Teuscher weiter, dass Zumbühl mit dieser über den Brünig heimwärts Richtung Obwalden gezogen sei. Und später, auf den Alpweiden unter der Musenalp, die Statue in einen hohlen Ahornbaum legte. Dort habe der junge Hirte morgens und abends gebetet.

Wie durch ein Wunder

Ende Sommer, als Zumbühl ins Tal zurückkehren wollte, konnten weder er noch andere die Statue aus dem Baum entfernen. Diese Unbeweglichkeit der Madonna sei als Zeichen göttlichen Willens interpretiert worden, dass Maria an diesem Ort bleiben wollte, weiss Teuscher. Dort wurde später eine Kapelle gebaut. Erst dann habe sich die Marienstatue wie durch ein Wunder versetzen lassen, was die Menschen in ihrer Überzeugung bestärkte, dass Maria an diesem Ort besonders verehrt werden wollte. Dies markiert den Beginn der Tradition der Wallfahrt zur «Gnadenmutter Maria im Ahorn», die bis heute fortbesteht und den Wallfahrtsort zu einem Symbol des Glaubens und der Hoffnung macht.

Auch ein Beispiel aus Rubigen

Dieser Wallfahrtsort in Niederrickenbach im Kanton Nidwalden ist auch im neuen Buch von Andreas Staeger mit dem Titel «Natur und Einkehr» aufgeführt. Das Buch beinhaltet 35 Wanderungen zu bekannten und unbekannten Pilgerorten. Der Brienzer Autor und Journalist stellt darin nicht nur Pilgerziele in katholischen Gebieten vor. Daher sind auch einige frühere Wallfahrtsorte berücksichtigt. So etwa die Kirche Kleinhöchstetten bei Rubigen und neu entstandene katholische Wallfahrtsorte in mehrheitlich reformierten Gebieten wie zum Beispiel Egg (Zürich).

«Eine schöne Wanderung»

Aus welchem Grund es die Kapelle «Maria im Ahorn» in die Auswahl seines Buchs geschafft hat, erklärt der Journalist und leidenschaftliche Wanderer folgendermassen: «Maria Rickenbach ist ein klassisches Wallfahrtsziel in katholischem Gebiet, das ich ursprünglich primär deshalb ins Buch aufnehmen wollte, weil es sich über eine sehr schöne Wanderung erreichen lässt.» Letztere sei nicht die klassische Pilgertour, wie sie von Gläubigen praktiziert werde und aus seiner Sicht eher unattraktiv ist. Stattdessen wählte er eine Route, die durch eine landschaftlich sehr reizvolle Gegend über Moorgebiete und Alpweiden führt. Gelegentlich gibt es unterwegs schöne Ausblicke zum Vierwaldstättersee, zur Rigi und zum Pilatus.

«In roher Weise verstümmelt»

Erst im Laufe seiner Recherchen erfuhr Staeger, dass das heutige Marienheiligtum auf eine Marienstatue aus Meiringen zurückgeht. Ob diese Begebenheit historisch verbürgt oder eher eine Legende ist, dazu hat auch er keine Antwort. Immerhin könne man auch als Reformierter über einen Befund des Nidwaldner Kunsthistorikers Robert Durrer schmunzeln: «Dieser stellte fest, die Marienfigur sei vor 300 Jahren «in roher Weise verstümmelt» worden, weil man ihr geschäftstüchtig ein Stoffkleid überziehen wollte, damit sie der Muttergottes im Kloster Einsiedeln gleiche.»

Hinweis auf Echtheit?

Abschliessend erwähnt Hans Teuscher, dass man bei der Restauration dieses Marienbilds 1970 festgestellt habe, dass die Statue auf der Vorderseite nicht nur stark angeschwärzt, sondern stellenweise sogar angekohlt war: «Das würde dafür sprechen, dass es nicht nur einfach eine Legende ist, sondern tatsächlich die aus dem Feuer gerettete Marienstatue der Kirche Meiringen ist.»

Andreas Staeger: «Natur und Einkehr», AT-Verlag, ISBN 978-3-03902-243-4, 208 Seiten. Verkaufspreis circa 33 Franken.

Quelle: www.thunertagblatt, 17.12.2024, Hans Heimann