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Neue Gottesdienstformen: Mehr Spielraum für Gemeinden

Die Kirchenordnungen erschweren vielerorts einen flexiblen Umgang mit den Sonntagsgottesdiensten. In einigen Kantonalkirchen kommt jetzt aber Bewegung in die Sache.

Wie sinnvoll ist es, sonntags vor halbleeren Kirchenbänken zu predigen? Diese Frage müssen sich immer mehr reformierte Kirchgemeinden stellen. Denn vielerorts ist es nur noch eine Handvoll Menschen, die sich am Sonntag in der Kirche einfindet. Kein Wunder wird der Ruf laut, den traditionellen Gottesdienst am Sonntag abzuschaffen, durch andere Formen von Feiern zu ersetzen oder auf einen Wochentag zu verlegen. Doch so einfach geht das nicht. Denn in den meisten Kantonalkirchen schreiben die Kirchenordnungen vor, dass sonntags zwingend ein Gottesdienst abzuhalten ist. So heisst es in der Kirchenordnung der reformierten Zürcher Landeskirche unmissverständlich: «Am Sonntag (…) und an den kirchlichen Feiertagen findet in jeder Kirchgemeinde ein Gottesdienst statt.» Zwar besteht für Zürcher Kirchgemeinden ein gewisser Entscheidungsspielraum. So dürfen sie einmal im Monat einen Sonntagmorgengottesdienst auf den Samstag- oder den Sonntagabend verlegen. Ebenso steht es Kirchgemeinden frei, einzelne Gottesdienste gemeinsam zu feiern.

Kirchenordnung anpassen

Weiterreichende Abweichungen bedürfen jedoch einer Ausnahmebewilligung, wie Kirchenratsschreiber Stefan Grotefeld auf Anfrage von ref.ch sagt. «Will eine Gemeinde ihren Gottesdienst für eine befristete Zeit zum Beispiel auf den Freitag verlegen, dann muss das vom Kirchenrat bewilligt werden. Zudem ist nach Abschluss dem Kirchenrat und der Synode Bericht zu erstatten». Für nicht mehr zeitgemäss hält diese Regelung Heinrich Brändli. Der Präsident des Synodalvereins, einer Fraktion im Kirchenparlament, forderte die Exekutive im vergangenen Jahr in einem parlamentarischen Vorstoss dazu auf, die Pflicht zum sonntäglichen Gottesdienst zu überdenken. Zur Begründung führte er auf, dass der Sonntagsgottesdienst insbesondere bei jüngeren Menschen an Bedeutung verloren habe. Zudem überfordere die Vorgabe die zeitlichen Ressourcen von Pfarrpersonen in kleineren Gemeinden. Bis 2025 hat der Kirchenrat Zeit, dazu Stellung zu beziehen.

Auch in der Bündner Kirche ist man daran, die Möglichkeiten für gottesdienstliche Feiern zu erweitern, zum Beispiel durch Gemeindegottesdienste unter der Woche. War im bisher geltenden Recht noch ausdrücklich von «regelmässigen Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen» die Rede, so soll im neuen Kirchgemeindegesetz auf diese Formulierung verzichtet werden. «Damit sollen die Gemeinden mehr Spielraum haben», sagt Kommunikationsbeauftragter Stefan Hügli. Das Kirchgemeindegesetz befindet sich derzeit in der Vorberatungskommission. Definitiv darüber entscheiden wird der Evangelische Grosse Rat im November.

Gute Erfahrungen

Nicht ganz so weit gegangen ist man in der Aargauer Landeskirche. Dort wird in der Kirchenordnung nach wie vor festgehalten: «Grundsätzlich findet an jedem Sonntag und an den folgenden Feiertagen ein Gemeindegottesdienst statt». Um besser an die «spirituellen Bedürfnissen und der Art der heutigen Lebensgestaltung» anzuknüpfen, ist es Kirchgemeinden seit einigen Jahren jedoch erlaubt, Sonntagsgottesdienste maximal zwölf Mal im Jahr auf einen Werktag zu verlegen. Zudem darf der sonntägliche Gottesdienst zweimal im Jahr ganz ausfallen. Erfahrungen mit Gottesdiensten unter der Woche statt am Sonntag hat man schon in einigen Kirchgemeinden gemacht. Bereits vor Jahren experimentierte man in der damaligen Kirchgemeinde Zürich-Sihlfeld (heute im Kirchenkreis drei) mit einem neuen Gottesdienst-Format am Freitagabend – mit Erfolg, denn das Angebot hat sich bis heute erhalten und verzeichnet konstante Besucherzahlen. Flexiblere Regelungen in den Kirchenordnungen könnten sich also lohnen.

Quelle: www.ref.ch, 16. September 2024, Heimito Nollé