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Sigriswil: Erfolgreiche Partnerschaft mit Göncruszka

Wiederaufbau einer Schule und Förderung der Roma-Bevölkerung: Die Partnerkirchgemeinden Sigriswil und Göncruszka setzen in Ungarn mehrere Projekte um. Für die Zusammenarbeit wurden sie ausgezeichnet.

Die Kirchgemeinde Sigriswil wurde von der Fachstelle für Ökumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit (OeME) der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn ausgezeichnet. Die Gemeinde Göncruszka liegt im Nordosten Ungarns nahe der slowakischen Grenze. Die Region gehört zu den ärmsten und unsichersten im Land. Rund die Hälfte der lokalen Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten weggezogen. Gestiegen ist dagegen der Anteil der Roma. Dass deren Kinder eine solide Schulbildung in einer sicheren Umgebung erhalten, dafür setzt sich das ungarische Pfarrehepaar Sohajda ein. 2010 übernahmen Zsuzsa und Levente Sohajda ein baufälliges Schulgebäude, das ein Jahr zuvor geschlossen worden war, und starteten mithilfe vieler lokaler Freiwilliger, aber auch mit finanzieller Unterstützung der Kirchgemeinde Sigriswil den Wiederaufbau. «Dabei beschränkten wir uns immer nur auf das Notwendigste», betont Pfarrer Sohajda, der sich kurz in der Schweiz aufhält. Bereits ein Jahr später konnte die Schule – sie nennt sich fortan Talentum-Grundschule - neu eröffnet werden. Es folgten weitere Renovations- und Ausbauschritte, die Sigriswil mitfinanzierte. Das gegenseitige Engagement zementierten die beiden Kirchgemeinden im Jahre 2012 mit einer Partnerschaft.

Schutzhaus für junge Mütter

Allerdings beschränkt sich Sigriswils Hilfe nicht nur auf das Schulprojekt. In Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz engagiert sich die Kirchgemeinde auch für Projekte zur Integration der Roma und anderer Ausgegrenzter. Konkret geht es um ein Schutzhaus für junge Mütter, das Pfarrer Sohajda im Nachbardorf Vilmány aufgebaut hat. Dort werden die Frauen, deren Ehemänner und Väter zum Teil im Gefängnis sitzen, auf ihre Aufgaben als Familienverantwortliche vorbereitet. «Zudem erhalten die Kinder und Jugendlichen aus diesen Familien schulische und soziale Begleitung», ergänzt der ungarische Seelsorger, der zwei Jahre seines Theologiestudiums in Zürich absolvierte und sehr gut Deutsch spricht. «Am Anfang unterrichteten wir 16 Schülerinnen und Schüler, heute sind es mit denjenigen im Schutzhaus über 500», betont der 40-Jährige und setzt hinzu: «In wenigen Monaten kommen die ersten Jugendlichen aus der Schule.» Ein Ereignis, auf das die beiden Kirchgemeinden stolz sind. Der Sigriswiler Kirchgemeinderat Hanns Glatz spricht von einer Erfolgsgeschichte. «Unser Engagement in Ungarn trägt Früchte», meint er lächelnd.

Imkerei und Bauernhof

Für die Finanzierung des Schulbetriebes sorgt die Gemeinde Göncruszka selbst. Die Mittel dazu kommen aus der gemeindeeigenen Imkerei, die biologisch hochwertigen Bienenhonig herstellt. Abgefüllt und verpackt wird er von der älteren Dorf­bevölkerung. «Es sei ihm ein Anliegen, alle Generationen in die Gemeinschaft einzubinden», erklärt Pfarrer Sohajda. Den Vertrieb des Honigs organisieren die Kirchgemeinden Sigriswil und Wipkingen ZH, die sich ebenso in Göncruszka engagiert. Im Weiteren führt die ungarische Partnergemeinde einen Lehrbauernhof mit einer landwirtschaftlichen Versuchsstelle. Das Pfarrehepaar kümmert sich persönlich um den Pflanzen- und Gemüseanbau und die Herstellung von lagerfähigen Milchprodukten. Die Kenntnisse dafür musste es sich zuerst erwerben. Unter anderem in der Schweiz. «Wir brachten die beiden in die Bergbauernschule Hondrich und zum Sigriswiler Sennen Res Waber», erzählt Kirchgemeinderat Glatz. Levente Sohajda schmunzelt bei dem Thema. Das einwöchige Praktikum im Käsen auf dem Unterbergli werde er nie vergessen, sagt der zweifache ­Vater.

Einwohnerzahl steigt wieder

Die Erzeugnisse aus der Landwirtschaft wandern grossmehrheitlich in die Schulküche. Gleichzeitig schafft der Betrieb berufliche Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort. Pfarrer Sohajda ist überzeugt: «Haben die Menschen Perspektiven, ziehen sie nicht fort.» Die Statistik gibt ihm recht. Göncruszkas Einwohnerzahl ist in den letzten Jahren wieder angestiegen. Nebst der finanziellen Unterstützung umfassen die Beziehung der beiden Kirchgemeinden auch regelmässige Arbeitseinsätze, jährliche Austauschtreffen der Jugendlichen, Sammelaktionen und gegenseitige Besuche. «Dadurch sind trotz sprachlicher Schwierigkeiten und unterschiedlicher Kulturen menschliche Brücken entstanden», freut sich Kirchgemeinderat Glatz. Höhepunkt dieser partnerschaftlichen Verbindung war unlängst die Verleihung eines Förderpreises der Fachstelle für Ökumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit (Oeme) der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Unter den Anwesenden der Preisverleihung befanden sich auch vier Mitglieder der Solothurner Jugendgruppe Together, die den OeMe-Preis vor zwei Jahren gewann. Sie waren gekommen, um sozusagen den Pokal weiterzureichen. Die Vertreter des Bereichs OeMe-Mi­gration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz würdigten in ihren Ansprachen die Arbeit der Kirchgemeinde Si­griswil. Kirchgemeinderatspräsidentin Marianne Vogt erzählte in ihren Ausführungen vom ersten Treffen mit Pfarrer Levente Sohajda. «Seine klare Vision hat uns tief beeindruckt», sagte sie. Pfarrer Christian Berger sprach von der Bedeutung der Partnerschaft mit Göncruszka. Es sei ein Geben und Nehmen, eine Bereicherung für alle. Gar mit Bezug zu einem Wort aus der Bibel drückte Pfarrer Sohajda aus Ungarn die Beziehung zu seinen Partnern in Sigriswil aus: «Wir bauten Mauern, aber erweiterten unseren Wirkungskreis.»

Dank und auch Ermutigung

Die Laudatio hielt Synodalrätin Pia Grossholz-Fahrni. «Der Preis ist ein Dank und eine Ermutigung, das Engagement weiter­zuführen, um anderen Kirch­gemeinden ein Vorbild zu sein», sagte sie. «Wir haben uns für Sigriswil entschieden, weil hier seit Jahren eine vielfältige Partnerschaft mit der Kirchgemeinde Göncruszka gelebt wird.» Der Preis ist mit 5000 Franken dotiert. Das Geld fliesst laut Kirchgemeindepräsident Robert Schoch in Projekte der Jugendbegegnung beider Kirchgemeinden.

Quelle: Thuner Tagblatt, 10.04.2018, Sylvia Kälin, Foto: refbejuso/Kevin Ischi