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KG Schwarzenegg: Pfr. Thomas Burri blickt nach über 20 Jahren im Amt zurück

Am Sonntag, 23. März, fand in Schwarzenegg der Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Thomas Burri statt. Im Gespräch mit dem "Thuner Tagblatt" blicken er und Gemeindeleiter Meinrad Schicker nach mehr als 20 Jahren im Amt zurück: Was eint Landes- und Freikirche? Was trennt sie?

«Wir sind als Christen in der ganzen Schweiz gut beraten, wenn wir den Blick auf das richten, was uns verbindet – und nicht nur auf das, was uns unterscheidet»: Diese Botschaft liegt Meinrad Schicker (65) am Herzen. 22 Jahre hat er die Bewegung Plus geleitet, eine von mehr als 20 christlichen Freikirchen, die zur evangelischen Allianz Region Thun (Earth) gehören und die zusammen rund 3500 Gläubigen eine religiöse und spirituelle Heimat bieten. Seit Anfang März ist Schicker in Pension, Thomas Luz hat von ihm die Gemeindeleitung übernommen. Ein paar Kilometer östlich von Thun wurde Ende Februar auch Thomas Burri (65) in den Ruhestand entlassen. 24 Jahre wirkte er auf der Schwarzenegg als Pfarrer in der Reformierten Kirchgemeinde mit rund 1650 Mitgliedern in vier Gemeinden. Sein Nachfolger ist Balázs Kalincsák.

Vom Katholizismus und von Freikirchen

Meinrad Schicker wuchs im Kanton Zug «streng katholisch» auf. «Was nicht katholisch war, galt bald einmal als sektiererisch», sagt er. «Es war mein grosser Bruder, der mir zeigte, dass man auch ohne strenge Formen ein Leben mit Gott führen kann.» Als Leiter der BewegungPlus und Earth habe er den Eindruck, «dass die Gräben zwischen frei- und landeskirchlichen Organisationen in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren haben», sagt Schicker. «Nicht zuletzt deshalb werden Grossanlässe mit einer Trägerschaft von mehr als 20 Freikirchen auch möglich.» Eine wichtige Rolle komme dabei der Methodistischen Kirche und der Heilsarmee zu, die Brücken zwischen der Landeskirche und Freikirchen bauen, so Schicker. Im Zulgtal ist neben der Landeskirche vor allem das Evangelische Gemeinschaftswerk (EGW) stark präsent. «Viele, die sich im EGW engagieren, sind auch Mitglied der Landeskirche», sagt Thomas Burri, «vorab jene, die sich vertiefter mit dem Wortlaut der Bibel auseinandersetzen, als ich das vielleicht tue.»

Ingenieur wird Pfarrer

Die Stelle in der Kirchgemeinde Schwarzenegg war Burris einzige vollamtliche Pfarrstelle; vor dem Theologiestudium leitete der ausgebildete Elektroingenieur die Entwicklungsabteilung eines Elektronikunternehmens. Jede Gemeinde in der Landeskirche habe ihren eigenen Charakter und werde von unterschiedlichsten Menschen geprägt. «So ergibt sich ein sehr differenziertes Bild von der Institution ‹Kirche›», sagt Burri. «Das wird meist unterschlagen, wenn pauschal über ‹die Kirche› geurteilt wird.»

Gläubige wählen christliche Gemeinden aus

Für Meinrad Schicker bedeutet die Vielfalt der christlichen Gemeindeformen «einen enormen Reichtum. Gerade weil moderne Menschen sehr genau auswählen, welche Gemeinde und Form des Glaubens zu ihnen passen.» Wichtiger als die Form, in welcher der Glaube gelebt werde, sei indes der Inhalt. «Innerhalb der evangelischen Allianz sind wir uns einig, dass Jesus eine historische Person ist, die gelebt hat und leibhaftig vom Tod auferstanden ist.» Damit verbunden sei «die hoffnungsvolle Zuversicht, dass Jesus dereinst als Erlöser auf die Erde zurückkehren wird».

Die Frage, wie er diesen Glauben Teenagern nahebringen konnte, von denen die meisten die kirchliche Unterweisung eher widerwillig besuchten, beantwortet Thomas Burri zunächst mit längerem Nachdenken. «Es hat sich bewährt, die Kinder schon in der ersten Klasse abzuholen», sagt er schliesslich. Der vierfache Vater weiss: «Es ist nicht ideal, wenn sie erst in der Pubertät mit solch grundlegenden Lebensfragen konfrontiert werden, weil sie da ohnehin ganz andere Sorgen haben.» Deshalb habe er stets versucht, mit den Jugendlichen herauszufinden, wo sie sich in 25 Jahren sehen. «Da haben wir dann rasch festgestellt, dass alle glauben – oder hoffen –, dass sie gesund sind und in Beruf und Beziehung erfolgreich», sagt er. «Wenn man dann aber in Betracht zieht, dass die Realität für viele Menschen um die 40 eine ganz andere ist, landet man schnell bei Themen wie ‹Hoffnung› oder ‹Glaube an das Gute› – und letztlich bei zutiefst christlichen Grundsätzen, ohne dass wir sie gleich so benennen müssen.»

Auch in der Gemeinnützigkeit des kirchlichen – oder christlichen – Wirkens sehen die beiden abtretenden Pfarrer eine Gemeinsamkeit des kirchlichen Wirkens – egal welcher Prägung. «Wir haben ganz viele Interessengruppen in unserer Kirchgemeinde», sagt Thomas Burri und zählt Menschen auf, die ein Frauenzmorge organisieren, einen Männerapéro, einen Anlass zum Weltgebetstag oder die sich in einem Bibelkreis vertiefter mit der Bibel auseinandersetzen. «Diese Menschen und weitere freiwillige Helferinnen und Helfer tragen die Gemeinschaft weiter», sagt Burri. Und betont gleichzeitig: «Als Pfarrer war es mir immer wichtig, auch mal ein Bier mit den Leuten zu trinken oder einen Jass zu klopfen. Weil auch das Gelegenheiten sind, zu spüren, wie es den Menschen geht.» Eine andere Gelegenheit, den Puls der Gemeinde ausserhalb der Kirche zu spüren, sind für Burri auch die Aufführungen der Kulturlandbühne, an denen er aktiv mitwirkt.

Die Rolle der Kirche in Zukunft

«Die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen können nicht voneinander getrennt werden», sagt Meinrad Schicker. «Alles, was wir tun, tun wir darum immer als Christen – darum gehört Jesus immer auch zum sozialen Handeln.» Gleichzeitig macht er klar: «Menschen zu helfen, darf nie davon abhängig sein, ob das Gegenüber Christin oder Christ ist oder nicht.» Deshalb – so ist Meinrad Schicker überzeugt – biete die Kirche gerade in unsicheren Zeiten «Raum für Hoffnung und Zuversicht. Oder um es mit den Worten des Theologen Peter Kuzmic zu sagen: ‹Hoffnung ist die Fähigkeit, die Musik der Zukunft zu hören. Der Glaube lässt uns heute schon danach tanzen›.» Eine Zukunft, in der Thomas Burri wieder eine wichtigere Rolle für die Kirche oder christliche Gemeinden sieht. «Vielleicht kann die Kirche mit ihren christlichen Werten die Gräben wieder überbrücken, die sich auftun, wenn Autokratie gestärkt und Freiheit geschwächt wird», sagt er. «Schliesslich war auch Jesus in Zeiten römischer Autokraten nicht in erster Linie Mitglied einer Kirche, sondern ein Jude, dem die grundlegenden, Gemeinschaft stiftenden Werte und die Liebe zu Gott und den Mitmenschen am Herzen lagen.»

Quelle: www.thunertagblatt.ch, Marco Zysset, 22.03.2025