Fokus 04/2025

Amsoldingen: Neue Ausstellung zeigt wechselvolle Geschichte der Kirche
Am 25. April 2025 wird in der Kirche von Amsoldingen ein neuer Ausstellungsraum eröffnet. Im Zentrum stehen frühmittelalterliche Skulpturen und ein römischer Grabaltar. Ein Rundgang mit Informationstafeln ausserhalb der Kirche und eine neue Broschüre ergänzen die Ausstellung. Diese entstand in enger Zusammenarbeit zwischen dem Archäologischem Dienst des Kantons Bern und der Reformierten Kirchgemeinde.
Die im 10. oder 11. Jahrhundert erbaute Kirche von Amsoldingen bei Thun ist eine der selten erhaltenen Sakralbauten der Frühromanik in der Schweiz. Die gut 1000 Jahre alte, dreischiffige Basilika gehört zu den «zwölf Thunerseekirchen» und beeindruckt durch ihren schlichten Innenraum mit den monumentalen Pfeilern und der stimmungsvollen Krypta. Ihr Baustil weist enge Bezüge zu Oberitalien auf, ähnlich wie die ungefähr gleich alte Schlosskirche Spiez.
Einzigartiges frühmittelalterliches Fundensemble
Die Geschichte der Kirche Amsoldingen reicht aber noch viel weiter zurück, wie in der Kirche vermauerte ältere Bauteile zeigen. Die 20 Fragmente frühmittelalterlicher Skulpturen aus Jurakalk wurden während der Restaurierung der Kirche vor 45 Jahren entdeckt und sind seither ausgestellt. In der neuen Ausstellung werden sie zusammen mit einer römischen Inschrift aus der Krypta in einer zeitgemässen Inszenierung gezeigt. Es wird erstmals eine Gesamtschau zur Geschichte der Kirche Amsoldingen geboten. Für die Schweiz ist dieses frühmittelalterliche Fundensemble einzigartig. Es gibt in Europa nur wenige vergleichbare Beispiele. Sie stammen aus der Abteikirche Saint-Denis in Paris und aus Südwestfrankreich und werden ins mittlere 8. Jahrhundert datiert. Die Funde in der Kirche Amsoldingen deuten darauf hin, dass an dieser Stelle einst ein reich geschmückter, frühmittelalterlicher Vorgängerbau stand. Ausgrabungen belegen zudem die Reste einer älteren Kapelle unter dem Mittelschiff der heutigen Kirche.
Römische Inschriftensteine
Neben den Fragmenten frühmittelalterlicher Skulpturen ist in der neuen Ausstellung auch ein römischer Grabaltar mit Inschrift zu sehen. Der rund 600 Kilogramm schwere Kalksteinblock stammt ursprünglich aus Avenches und wurde, etwa 1000 Jahre nach seiner Herstellung, im Mittelalter nach Amsoldingen gebracht. Dort diente er zusammen mit weiteren römischen Grabaltären und Säulen als Pfeiler in der Krypta. 1876 wurden die römischen Inschriftensteine aus der Krypta entfernt, zunächst nach Thun ins Rathaus, dann ins Museum transportiert und vor Ort durch Sandsteinsäulen ersetzt. Seit der Restaurierung 1980 sind in der Krypta Kopien der Inschriftensteine eingebaut. Nun ist einer der interessanten Steine wieder nach Amsoldingen zurückgekehrt. Im Schloss Thun ist heute noch ein Original ausgestellt. Die Wiederverwendung älterer Bauteile ist auch von den Cluniazenserkirchen in Münchenwiler und auf der St. Petersinsel bekannt. Dabei ging es nicht nur um den Materialwert der Steine, sondern auch um die ästhetische und/oder symbolische Bedeutung. So verliehen die römischen Inschriftensteine dem Chorherrenstift Amsoldingen, dem Zentrum einer Gemeinschaft von Priestern, ein ehrwürdiges Alter. Bemerkenswert ist, welch grossen Aufwand die Menschen damals angesichts der beachtlichen Transportdistanz dafür betrieben.
Rundgang ausserhalb der Kirche
Die frühromanische Kirche Amsoldingen ist fast viermal so gross wie ihr frühmittelalterlicher Vorgängerbau. Sie diente vermutlich von Beginn an als Chorherrenstift. Im Unterschied zu einem Mönchskloster, in dem Mönche gemeinsam in einem abgeschlossenen Bereich lebten, hatte im Chorherrenstift jeder sein eigenes Haus. Die Häuser waren um die Kirche herum gebaut. In Amsoldingen waren es ursprünglich zehn Chorherren, ab dem 14. Jahrhundert noch fünf. Bei der Sanierung des Schlosses Amsoldingen, das neben der Kirche gelegen und in Privatbesitz ist, entdeckte der Archäologische Dienst 2007/08 in den Mauern des Gebäudes Reste eines älteren Steinhauses. Es handelt sich wahrscheinlich um einen Chorherrenhof aus der Zeit um 1220. Weitere Chorherrenhöfe werden in anderen historischen Gebäuden bei der Kirche Amsoldingen vermutet. Ein Rundgang mit Informationstafeln sowie eine begleitende Broschüre laden dazu ein, auch diese bedeutenden Baureste ausserhalb der Kirche zu erkunden.
Eröffnung des neuen Ausstellungsraums und des Rundgangs
Am Freitag, 25. April 2025, um 17 Uhr, findet in der Kirche Amsoldingen die Eröffnung des neugestalteten Ausstellungsraumes und des Rundgangs statt. Teilnehmen werden Stefan Gyger, Gemeindepräsident von Amsoldingen, Monika Eicher, Kirchgemeindepräsidentin, und Adriano Boschetti, stv. Vorsteher Amt für Kultur des Kantons Bern, Kantonsarchäologe. Den thematischen Schwerpunkt der Veranstaltung bilden Vorträge von Katrin Roth-Rubi, Archäologin, und Armand Baeriswyl, Leiter des Ressorts Mittelalterarchäologie und Bauforschung im Archäologischen Dienst des Kantons Bern. Die Veranstaltung ist öffentlich.
Text- und Bildquelle: Medienmitteilung der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern, 22. April 2025